Laut BBiG – Berufsbildungsgesetz – ist das Ziel der dualen Berufsausbildung das „Erlangen der beruflichen Handlungsfähigkeit“, berufsbezogener Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, also die Kombination aus Wissen, Können und die Bereitschaft, beides anzuwenden.

Und nichts anderes ist die Umschreibung von Kompetenz. Kompetenzorientiertes Ausbilden heißt aber, nicht nur Fachkompetenzen zu vermitteln, also sogenannte Hard Skills, und diese mit Auszubildenden gemeinsam zu entwickeln, sondern auch Schlüsselkompetenzen, die Soft Skills, zu fördern. Zu diesen zählen soziale, individuelle und methodische Kompetenzen. Aber was genau versteht man darunter?
 

Berufliche Kompetenzen verstehen lernen

In pädagogischen Fachbüchern finden sich oft andere Umschreibungen zu dem Begriff Kompetenz als in Personalfachbüchern. Und in der Literatur generell vermisst man ein einheitliches Verständnis davon, was mit den Einzelkompetenzen gemeint ist. So verlangen Recruiter schon von Schulabsolventen aller Schulformen die Nennung von verschiedenen beruflichen Kompetenzen im Bewerbungsanschreiben oder bei der Online-Bewerbung in ihren Formularen. Bewerber lernen schon früh, dass „man“ z.B. Teamfähigkeit als „gute“ soziale Kompetenz nennen sollte. Wird dann im Vorstellungsgespräch nach der persönlichen Definition und dem persönlichen Verständnis von „Teamfähigkeit“ gefragt, oder wie sie in einer beispielhaften Situation im Team handeln würden, finden die Kandidaten oft keine Antworten. Das liegt daran, dass berufliche Fähigkeiten oder andere Schlüsselkompetenzen leider nicht zum Lehrplan von Schulen gehören. Auch in der Familie oder der Berufsorientierung beschäftigen sich die wenigsten Menschen mit der Relevanz von Soft Skills. 
 

Ausführliche Dokumentation, um Kompetenzen sichtbar zu machen

Um Fertigkeiten zu benennen und erkennen zu können, ist es also wichtig, inhaltlich zu wissen, was genau mit dem einen oder anderen Kompetenzbegriff gemeint ist. Ausbilder sollten daher berufliche Kompetenzen, die z.B. auch in den vom Betrieb vorgegebenen Beurteilungsbögen auftauchen, gemeinsam mit den Auszubildenden klären, um ein gemeinsames Verständnis davon zu haben.

Erst wenn eine Kompetenz inhaltlich verstanden wurde, können Ausbilder und Auszubildende gemeinsam den Prozess starten, vorhandene Kompetenzen zu erkennen und erfolgreich zu nutzen. In den sachlichen und zeitlichen Gliederungen (Ausbildungsrahmenplänen) der einzelnen Ausbildungsordnungen sind die Fachkompetenzen erläutert, die während der Berufsausbildung erworben werden sollen. Auch hier gilt es, dass Ausbilder und Auszubildende gemeinsam klären, welche betrieblichen Tätigkeiten z.B. zur Erlangung der einen oder anderen Fachkompetenz laut Ausbildungsrahmenplan beitragen. Aus diesem Grund gibt es Formulare für Ausbildungsnachweise (Berichtsheft), in denen eine separate Spalte die Möglichkeit gibt, den Referenzparagraphen aus dem Ausbildungsrahmenplan, das sogenannte Richt- und Groblernziel, einzutragen. Auf diese Art und Weise verknüpfen Auszubildende bereits während sie das Berichtsheft schreiben ihre alltäglichen betrieblichen Aufgaben und Tätigkeiten mit den geforderten beruflichen Fähigkeiten aus der Ausbildungsordnung. Das gibt ihnen eine bessere Struktur und immer wieder die Erkenntnis: „Ich kann etwas“! Mit der wachsenden Anzahl von Einträgen steigt somit die Selbstreflexion, wie weit man im Ausbildungsfortschritt schon gekommen ist und das wiederum trägt zur Stärkung des Selbstvertrauens bei.

Um eine durchgehende Dokumentation von Kompetenzen auch für die Schlüsselqualifikationen zu ermöglichen, erschien im Bildungsverlag EINS der Westermann Gruppe das Kompetenztagebuch. Es schafft als Gesprächsgrundlage die Basis für Feedbackgespräche zwischen Ausbildern und Auszubildenden, an einem gemeinsamen Verständnis von Persönlichkeits-, Sozial- und Methodenkompetenzen zu arbeiten. Die Entwicklung von Fähigkeiten beim Auszubildenden, wie beispielsweise die Sozialkompetenz, wird anhand von erledigten Aufgaben festgehalten (wie beim Berichtsheft), um aus ihnen sowohl ein Stärkenpotential abzuleiten als auch Verbesserungspotentiale aufzudecken. Eine gute Dokumentation ist also die Grundlage, um Kompetenzen zu erkennen und im wahrsten Sinne des Wortes auch „sichtbar“ zu machen. 

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Mitbestimmung als Erfolgsfaktor für den Ausbau beruflicher Kompetenzen

Kompetenzen erfolgreich zu nutzen, geht auf Basis der Dokumentation dann einen Schritt weiter: Die Auszubildenden sollten mitbestimmen können, wie sie eine bestimmte berufliche Kompetenz konkret weiterentwickeln können. Das heißt, mit dem Ausbilder gemeinsam werden theoretische und praktische Aufgaben gesucht, mit denen die Auszubildenden an ihrer Kompetenzentwicklung arbeiten können. Das schult die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und festzustellen, dass jeder Mensch mit den Aufgaben, die er sich sucht, auch selbst für seinen lebenslangen Lernprozess verantwortlich ist.

Ein Beispiel: Ausbilder und Auszubildende haben festgestellt, dass beim Azubi bereits eine Menge gutes Produktwissen vorhanden ist. Der/die Auszubildende ist auch sehr freundlich, respektvoll und höflich, aber noch sehr schüchtern. Das ist der Grund, warum die Verkaufsgespräche noch nicht so recht erfolgreich sind. Der/die Ausbilder/-in könnte nun durch verschiedene Methoden, wie zum Beispiel ein Rollenspiel, gezielt Schlüsselqualifikationen wie Körpersprache und Mimik, Kommunikationsfähigkeit, Aktives Zuhören, Rhetorik, Warenpräsentation, Nutzenargumentation etc. trainieren und den/die Auszubildende/n sich das zugehörige theoretische Fachwissen aus der Berufsschule zum Thema Verkaufsgespräche erarbeiten lassen. Im Anschluss werden immer wieder Verkaufsgespräche sowohl im Ausbildungsnachweis als auch im Kompetenztagebuch dokumentiert und die stetige Verbesserung mit Datum und Anlass beschrieben und festgehalten. Auf diese Art und Weise können Auszubildende selbst ihren eigenen Fortschritt immer wieder nachlesen und das Selbstbewusstsein steigt. Es ist die Aufgabe des Ausbilders, Methodenkompetenz und Handlungskompetenz zu vermitteln, die dann für mehr Sicherheit bei den Auszubildenden sorgen.

Digitale Lernplattformen wie GEORG unterstützen diesen Prozess durch die fachlichen Lerneinheiten, die immer wiederholt werden können. So sind sich Auszubildende sicher, dass sie durch die gesamte Ausbildung hindurch die Möglichkeit zur Wiederholung haben und der Ausbilder kann ebenfalls die Lernfortschritte direkt auf der Plattform mitverfolgen, Lernerfolgskontrollen durchführen und die Kompetenzentwicklung dokumentieren. Damit lassen sich in idealer Weise theoretisch erworbene Fachkompetenzen mit praktisch erworbenen Qualifikationen sinnvoll verknüpfen.
 

Fazit

Auszubildende lernen damit früh, dass sie auch selbst für ihren Lernfortschritt und damit für ihre Kompetenzentwicklung verantwortlich sind. Sie erfahren, dass vielleicht auch ungeliebte und/oder schwierige Alltagsaufgaben zur Weiterentwicklung bestimmter beruflicher Kompetenzen dienen. Und sie gewöhnen sich an den Umgang mit allen Kompetenzbegriffen und -definitionen, mit denen sie im Laufe ihres Lebens immer wieder zu tun haben werden. Es wird ihnen künftig leichter fallen Beurteilungsgespräche, Mitarbeitergespräche und Vorstellungsgespräche zu führen und ganz klar ihre starken und weniger gut ausgeprägten Kompetenzen benennen und erklären zu können. Und nicht zuletzt fördert dieser Prozess in der Kombination von Selbstreflexion und Kompetenzentwicklung auch die Selbsterkenntnis: „Ich kann vieles prima, aber nicht alles gut und das darf auch genauso sein!“


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Verfasst von der Fachexpertin Jutta Mohamed-Ali

Jutta Mohamed-Ali, Diplom-Betriebswirtin, Inhaberin von ArsAzubi, Ausbildungsberatung für KMU. Als Beraterin, Trainerin und Coach beschäftigt sie sich seit über 15 Jahren mit der Ausbildung von Azubis und dual Studierenden. Erst in einem der größten, deutschen DAX-Konzerne, dann als selbständige Beraterin. Als Psychotherapeutin (HPG) und Lernprozessbegleiterin begleitet sie Azubis im Auftrag der KMU durch die Ausbildung, berät und unterstützt die Betriebe in allen Ausbildungsfragen und trainiert die Mitarbeiter in Seminaren und Workshops. Als Dozentin schult sie an Industrie- und Handelskammern zukünftige Ausbilder. 
Kontakt: ArsAzubi, Rosenhof 36, 64560 Riedstadt, Tel.: 06158/9170340 
E-Mail: jutta.mohamedali(at)arsazubi.de www.arsazubi.de