Flipped Classrooms – so nennt sich eines der spannendsten Konzepte der letzten Jahre im Bereich des digitalisierten, integrierten Lernens. Was genau steckt hinter dem Learning-Konzept und welche Vorteile verspricht ein Flipped Classroom für moderne (Aus-)Bildung in der Zukunft?

 

Mit einer simplen Frage zu einem neuen Unterrichtskonzept

Auch wenn es bereits Vorboten des Konzepts in den 90er Jahren gab, so wurden die Flipped Classrooms (zu deutsch „umgedrehter Unterricht“, manchmal auch Flipped Learning oder Inverted Classroom genannt) vor allem über die High-School-Lehrer Jonathan Bergmann und Aaron Sams aus den USA etwa seit dem Jahr 2012 populär gemacht. Das Prinzip lässt sich an einer simplen Frage festmachen:

Welche Art von Unterricht macht an welcher Stelle Sinn?
Bergman und Sams erkannten, dass der klassische Unterricht ihrer Schüler/-innen hauptsächlich daraus bestand, still den Lehrervorträgen zuzuhören. Gegebenenfalls folgte darauf eine kleine Übung. Danach sah das traditionelle Lernkonzept vor, dass die Lernenden ihre Hausaufgaben alleine zu Hause erledigten. Deshalb begaben sich die beiden Lehrer auf die Suche nach einer sinnvolleren Teaching-Methode, die optimal auf die Bedürfnisse der Lernenden ausgerichtet ist.
 

Die Geburtsstunde der Flipped Classrooms

Sie hinterfragten den klassischen Ablauf traditionellen Unterrichts und entschieden sich, die Input-Phase des Lehrervortrags vor den eigentlichen Unterricht auszulagern und damit automatisch mehr Zeit während des Unterrichts zu schaffen. So konnten sie insbesondere das tun, was sinnvoll ist, wenn Menschen zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind: Miteinander kollaborieren, Fragen beantworten und Rückmeldungen erhalten, statt still dem gleichen Vortrag zu folgen. Zudem stellten sie ihren Schüler/-innen die vorgelagerte Input-Phase mittels Erklärvideos zur Verfügung. 

Der Erfolg der Flipped Classrooms gab ihnen Recht: Ihre Klassen schnitten besser in Tests ab, waren insgesamt zufriedener und der Unterricht konnte besser auf individuelle Unterschiede zwischen den Lernenden zugeschnitten werden. Der inverted classroom war geboren – und wurde über zahlreiche Literatur und vor allem die Khan Academy, welche eine Vielzahl an weiteren Erklärvideos kostenlos zur Verfügung stellte, weltweit weiter populär gemacht. da Der Gründer der Plattform, Salman Khan, erkannte von der ersten Sekunde an das Potential der Flipped Classrooms: „Sie nahmen eine grundsätzlich unmenschliche Erfahrung – 30 Kinder mit dem Finger an ihren Lippen, denen nicht erlaubt wurde, miteinander zu interagieren. Der Lehrer, egal wie gut er war, bietet ihnen eine uniforme Vorlesung – leere Gesichter, im seichten Widerstand – und nun ist es eine menschliche Erfahrung, jetzt interagieren sie endlich miteinander“.

Das Konzept des Flipped Learning ist durch die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Methode mittlerweile auch im deutschen Raum äußert beliebt. Immer neue Publikationen befassen sich gezielt mit Anwendungsmöglichkeiten, Praxisbeispielen, geeignetem Content und den besten Online Tools für die innovative Teaching-Methode. Der 2018 erschienene Band „Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht“ präsentiert beispielsweise neueste Erkenntnisse aus einem Pilotprojekt an Berliner Schulen. Klar ist: Diverse Unterrichtsfächer profitieren von einem integrativen Flipped Classroom, der mittels Video, dem Einsatz von weiteren Web-Medien und Online-Plattformen wie Youtube individuelle Lerneinheiten der Schülerinnen und Schüler ermöglicht. Durch den partiell virtuellen classroom steht personalisiertem und effizientem Learning nichts mehr im Wege!
 

Flipped Classrooms – Aktuellste Studien bescheinigen eine Menge didaktischer Vorteile

Die Vorteile der Flipped Classrooms liegen auf der Hand: Die Phase der selbstständigen Erarbeitung kann nun zu Hause in der eigenen Geschwindigkeit stattfinden. Videos können im Gegensatz zu Vorträgen individuell vor- und zurückgespult oder komplett wiederholt werden, ganz nach Vorwissen und eigenen Präferenzen. Lernende können Fragen im Voraus an die Lehrkraft schicken, welche diese dann in die Präsenzphase übernimmt. Flipped Classrooms bedeuten vor allem eine große Zeitersparnis. Lehrer können die frei gewordene Zeit nutzen und gemeinsam mit den Schüler/innen/Auszubildenden Lerninhalte vertiefen, in der Gruppe üben und Feedback geben. Denn im Gegensatz zu Hausaufgaben, welche – wie der Name schon suggeriert – zu Hause erledigt werden, ist nun ein Lernbegleiter vor Ort, der gegebenenfalls sofort Hilfestellung geben kann. 

Flipped-Classroom-Konzepte setzen oft auf Videos für die Selbstlernphase, theoretisch sind aber auch andere (Multimedia-) Inhalte denkbar. Wichtig ist dabei nicht, dass das Medium möglichst ‚digital-modern‘ ist. Es sollte vor allem der Erfüllung des Lernziels dienen. Darüber hinaus können, aber müssen die Erklärvideos nicht selbst von der Lehrkraft erstellt werden. Videoplattformen wie YouTube bieten bereits eine Vielzahl von didaktisch gut aufbereiten Materialien an. Sollte jedoch ein ganz persönliches Video am sinnvollsten erscheinen, kann man dies natürlich in Eigenregie erstellen. Wie das geht? Einer der nächsten Artikel bei GEORG befasst sich genauer damit!
 

Begleitaufgaben für Flipped-Classroom-Konzepte gezielt auswählen

Sowohl aktuelle Studien, als auch die Erfahrung der ‚Erfinder‘ der Flipped Classrooms zeigen, dass das größte Geheimnis des Flipped-Classroom-Konzepts nicht wie oft vermutet in den digitalen Videos liegt. Essenziell ist die Kombination mit einer lebensnahen, sinnhaften Begleitaufgabe. Wenn diese den Menschen die Relevanz klar zeigt, entsteht Motivation oft von ganz allein, wie der Artikel „Was, wenn ‚Mensch sein‘ unser Bildungsziel wäre?“ zeigt. Eigentlich ist die Methode der Flipped Classrooms nichts revolutionär Neues – sie ist lediglich das Resultat des Hinterfragens von alten Paradigmen (aus den Zeiten der ersten Industrialisierung)

Mittels digitaler Technologien wie Videos und schnellen Internetzugängen lässt sich ein Flipped Classroom heutzutage mühelos umsetzen. Im Unterschied zu manch anderen Trends der letzten Jahre machen Flipped Classrooms eine Sache anders! Statt blind technischen Trends zu folgen, hinterfragt die innovative Methode zuerst, was den (neuen) didaktischen Zielen dienlich ist und erst dann, wie uns die digitalisierte Technik bei der Zielerreichung unterstützen kann.
 

Mit Flipped Classrooms die Lerneffizienz steigern

Fragen Sie sich als Lehrender oder Ausbilder also ganz bewusst: Welche Aktivitäten und Phasen machen an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt Sinn - und stellen Sie Ihren Unterricht mit den Flipped Classrooms wortwörtlich auf den Kopf. So holen Sie das Optimum aus Ihren Lehrmethoden heraus und gehen gezielt auf die Bedürfnisse Ihrer Schüler/-innen ein. GEORG kann Sie dabei unterstützen, das Flipped-Classroom-Konzept effektiv umzusetzen und die Lerneffizienz zu steigern. Bestellen Sie dazu kostenfrei Ihr Infopaket zur Digitalen Beruflichen Bildung und überzeugen Sie sich selbst!

Bildnachweis: © unsplash.com

Quellen:
Bergmann, Jonathan/Aaron Sams. 2012. Flip your classroom: Reach every student in every class every day. 1. Auflage. Eugene, Or., Alexandria, Va.: International Society for Technology in Education.
Khan, Salman. 2011. “Let's use video to reinvent education: TED Talk”. TED <https://www.ted.com/talks/salman_khan_let_s_use_video_to_reinvent_education.
Khan, Salman. 2013. Die Khan-Academy: Die Revolution für die Schule von morgen. Deutsche Erstauflage. München: Riemann.
Bayer, Stephan; Ebel, Christian; Spannagel, Christian; Werner, Julia (Hrsg). 2018. Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht. 1. Auflage. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung.
Ullmann, Jan. 2018. Entwicklung von Erklärvideos für einen Englisch Selbstlernkurs im Rahmen des ‚Flipped Classroom‘ Prinzips. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/22645/

 

Verfasst vom Fachexperten Dr. Jan Ullmann

Dr. Jan Ullmann ist E-Learning Trainer & Berater aus München. Seine Vision ist es, den Menschen mit seinen individuellen Talenten wieder zum Mittelpunkt der Bildung zu machen. Digitalisierte Medien sind für ihn wunderbare Werkzeuge, um menschliche Fähigkeiten wie Kreativität, Neugierde und kritisches Denken zu wecken. Er unterstützt mit seiner Arbeit öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten sowie das Lernen in der Ausbildungs- und Arbeitswelt. Kontakt: www.jan-ullmann.de | www.lernhandwerk.de