Vor allem in den letzten Wochen und Monaten, nachdem sich der Aufruhr und der erste Hype der schnellen „Corona-Digitalisierung“ gelegt hat, stellte sich für viele Ausbilderinnen und Ausbilder heraus: Auch bei der „Ausbildung online“ stoßen wir schnell auf die „alten Bekannten“ wie mangelnde Konzentration, Teilnahme und Mitarbeit. Und eine neue Sache wurde klar, nämlich, dass die Digitalisierung manchmal ziemlich anstrengend und überfordernd sein kann.

Vielfach wird dabei in der Fachliteratur die „VUCA Welt“  als Ursache zitiert, doch es wird allmählich deutlich, dass es lediglich die Fülle an Informationen und die unendlichen Möglichkeiten der (digitalen) Welt sind, die unser Gehirn, und somit uns selbst, manchmal an den Rande der Überforderung bringen können. Doch das muss nicht sein! Wir haben für Sie 10 praktische Tipps zusammengestellt, die Ihnen helfen werden, sich als Ausbilder/-in in der schnelllebigen Online-(Ausbildungs-)Welt auf das Wesentliche zu konzentrieren. Denn genau darauf kommt es doch an, oder?
 

Tipp #1: Fragen Sie sich: Worum geht es eigentlich?

Neue Trends kommen und gehen, und vor allem die Digitalisierung ist in aller Munde, wenn es um die Aus- und Weiterbildung verschiedenster Berufe geht. Aus Presse, Politik und Wirtschaftswelt wird diese als Heilsbringer angekündigt und das Fazit steht fest: „Wir müssen so schnell wie möglich digitalisieren!“. Das mag in Teilen auch stimmen, vor allem, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, doch wie schon in vorherigen Artikeln auf GEORG erwähnt wurde, ist das Ziel von Digitalisierung in der Bildung nicht Digitalisierung. Das bedeutet, die Digitalisierung darf niemals zum Selbstzweck gemacht werden, sondern sollte stets als Mittel zum Zweck fungieren. Fragen Sie sich deshalb regelmäßig, wenn Sie auf Ihre Auszubildenden schauen: Worauf kommt es wirklich an? Orientieren Sie sich in Ihrer Arbeit nach diesen Antworten.
 

Tipp #2: Das Rad nicht neu erfinden – prüfen Sie alte Inhalte auf digitale Verwendung

Digitalisierung bedeutet nicht, dass plötzlich alle Inhalte und Methoden, die man früher verwendet hat, obsolet geworden sind, nur weil man nun als Ausbilder/-in auch online agiert. Im Gegenteil sogar! Prüfen Sie also, ob Sie Inhalte und Print-Materialien, die Sie bisher verwendet haben, auch für den digitalen Raum adaptieren können und/oder mit zusätzlichen neuen Materialien sinnvoll ergänzen können. Digitalisierung soll Zeit sparen, nicht mittelfristig noch mehr Aufwand bedeuten.
 

Tipp #3: Nutzen Sie Vorlagen – Sie müssen kein Designer sein

„Das Auge lernt mit“ – das heißt, auch die ästhetische Gestaltung von Lernmaterialien sollte nicht dem Zufall überlassen werden und ist auch nicht „nicht so wichtig“. Das gilt in der Ausbildung online genauso wie offline. Allerdings sind „Designer/-in“ und „Mediengestalter/-in“ auch eigene Berufsstände und diese Arbeit nicht mal eben noch nebenbei erledigt. Und das muss es auch nicht! Schauen Sie sich im Internet z.B. nach Präsentationsvorlagen für PowerPoint um. Es gibt mittlerweile von Bordmitteln gute, kostenlose Vorlagen, aber gegen geringe Gebühren stellen einige Anbieter auch Premium-Vorbereitungen zur Verfügung, die richtig viel her machen. Diese müssen dann nur noch für die bestehenden Inhalte angepasst werden und schon sieht die nächste (Webinar-)Präsentation erfrischend anders aus.
 

Tipp #4: Setzen Sie als Ausbilder/-in online auf pragmatische Lösungen – technische Experimente haben oft keinen didaktischen Mehrwert

Wie bereits erwähnt, sind technische Spielereien oft sehr verführerisch, um die Ausbildung online vermeintlich noch besser zu gestalten. Hier noch ein Chat für den Kurs, da noch ein Whiteboard zur nächsten Prüfung, vielleicht ein Punkte-System mit Avataren der Teilnehmer/-innen? Was raffiniert und motivierend wirkt, hat oftmals jedoch nur eine geringe Halbwertzeit in Sachen didaktischer Wert. Anfangs sind technische Spielereien motivierend, schlicht und ergreifend, weil sie neu sind, nutzen sich dann aber schnell ab. Darüber hinaus läuft man Gefahr, dass technologische Experimente auch wieder zu mehr technischen Problemen führen. Eine einfache, ästhetische, relevante und kreative Lernumgebung hat oftmals einen wesentlich größeren didaktischen Wert als eine, die technisch aufwendig ist, aber dann keine Zeit mehr für das Wesentliche – die Inhalte und Aufgaben – geblieben ist. Und das Gute ist: Das Wesentliche hat sich im Grunde nicht geändert, lediglich die Form ist eine (digitale) andere.
 

Tipp #5: Nutzen Sie echten menschlichen Kontakt als sozialen Klebstoff

Würde man eine Art „Realitätscheck“ durchführen, würde man feststellen, dass in der Online-Ausbildung, z.B. in Webinaren, gar keine wirkliche soziale Zusammenkunft stattfindet: Eigentlich sitzt man allein vor einem Quader aus Metall, Plastik und Glas und führt stundenlang ein Selbstgespräch mit Live-Übertragung. Nur unser Gehirn und seine Imagination macht es möglich, dass wir uns vorstellen, dass wir miteinander an etwas arbeiten oder lernen. Solange Präsenzveranstaltungen nur eingeschränkt möglich sind, ist der Einsatz von „sozialem Klebstoff“ aber umso wichtiger! Nutzen Sie deshalb gerne ein Drittel Ihres Unterrichts, um die Auszubildenden ankommen zu lassen, sprechen zu lassen und Probleme loszuwerden. Denn nur so fühlt sich unser Gehirn „sicher“ und wenn dies der Fall ist, kann auch wieder Lernen stattfinden. Wird dieser wichtige Punkt übersprungen, leiden Aufmerksamkeit und Motivation – und erhöht somit auch Ihre Belastung als Ausbilder/-in in der Online-Welt. 
 

Tipp #6: Seien Sie mutig und geben Sie die Zügel aus der Hand

Fragen Sie sich: Wer war vor einhundert Jahren das Wissensmonopol im Seminarraum? Mit Sicherheit immer die Lehrkraft. Fragen Sie sich dann: Wer ist im Jahre 2020 das Wissensmonopol im Seminarraum? Die richtige Antwort lautet hier wohl: „Google auf dem Smartphone in meiner Hosentasche“. Vor allem im Zeitalter der Information ist es unmöglich, alles zu wissen. Schnell kommt hier Angst auf, dass Ausbilder/-innen in Zukunft obsolet werden könnten – doch weit gefehlt! Lediglich die Rolle der Lehrkräfte verändert sich: Vom „Weisen auf der Bühne“ zum „Unterstützer und Kurator an der Seite“. Geben Sie also gerne die Zügel aus der Hand und trauen Sie Ihren Azubis etwas zu. Nicht nur wird Sie das ein stückweit entlasten, sondern die Sogwirkung von echten kreativen Aufgaben wird auch zu erhöhter Motivation der Zielgruppe führen.
 

Tipp #7: Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei – arbeiten Sie als Ausbilder/-in online im Team

Es mag stimmen, dass die Unterrichtsvorbereitung von Frau Meyer nicht von Herrn Müller 1:1 übernommen werden kann und sollte. Aber vor allem in Zeitalter digitaler Kollaborationsplattformen für Dateien, Dokumente etc. ist die Vorstellung, dass fünf Ausbilder/-innen am Sonntagabend parallel das gleiche Rad neu erfinden wohl ziemlich ineffektiv. Nutzen Sie also diese Plattformen, um sich auszutauschen und zu kollaborieren. Es lohnt sich und wird Ihnen gegenseitig eine Menge Zeit und Mühe ersparen.
 

Tipp #8: Vergessen Sie das Wesentlichste nicht: Den Menschen hinter dem „Lerner“

Sehr gerne wird bei Lernzielen, Curricula und Kompetenzanforderungen, gepaart mit digitalen Räumlichkeiten, vor allem eines vergessen: Am Ende des Klassenzimmers (respektive Webinar-Monitors) sitzt immer noch: ein Mensch. Und dieser Mensch ist stets geprägt von Gedanken, Glaubenssätzen, Emotionen und zum Teil auch Blockaden, die für sie/ihn im Lernprozess eine Herausforderung darstellen. Bisher ist mir keine App der Welt bekannt, die diese Herausforderungen überwinden könnte – außer die „App“ namens „menschliche Empathie“. Nutzen Sie dies, es wird das Klima, die Motivation und die allgemeine Arbeitsbelastung enorm verbessern. 
 

Tipp #9: Akzeptieren Sie das, was momentan nicht zu ändern ist 

Wir Menschen haben für unseren Alltag stets nur eine begrenzte Menge an Energie zur Verfügung, die entsprechend konstruktiv genutzt werden kann. Kaum etwas ist jedoch ein größeres Leck im Reservoir der Lebensenergie, als Widerstand zu momentan unabänderlichen Gegebenheiten zu leisten; zum Beispiel, dass wir jetzt eine Zeit lang die Ausbildung online stattfinden lassen und rein digital unterrichten müssen. Wenn Sie jedoch die Umstände zumindest für den jetzigen Moment akzeptieren können, werden Sie überrascht sein, wie viel neue kreative Energie Ihnen für Ihre Arbeit zur Verfügung steht – die Sie dann wiederum auch für neue Lösungen produktiv nutzen können.
 

Tipp #10: Reflektieren Sie Ihre Stärken – und holen Sie sich das Funkeln zurück

Ich würde behaupten, dass jede/r Ausbilder/-in irgendwann einmal diesen Beruf gelernt hat, weil sie/er das Gefühl mochte, vor einer Klasse zu stehen und sowohl selbst als auch im Gegenüber das berühmte metaphorische „Funkeln in den Augen“ zu spüren. Dies hat vor allem etwas mit Werten und persönlichen Stärken zu tun. Fragen Sie sich also, warum Sie Ihren Job gewählt haben und was Ihre persönlichen Stärken sind – und setzen Sie auf genau diese! Denn vor allem in der digitalisierten Welt sind solche „Superkräfte“ umso wichtiger, da sie Menschlichkeit und Empathie und technologische Umgebungen bringen. Und wenn Sie mehr Freude an Ihrem Tun haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass nicht nur Ihre Auszubildenden motivierter sind, sondern Ihnen die Arbeit als Ausbilder/-in auch online leichter fällt und Sie sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren können.

Der Fokus auf das Wesentliche ist auch für unsere digitale Plattform der wichtigste Kernpunkt – erfahren Sie mehr über unsere Lernplattform GEORG. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktanfrage!

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Verfasst vom Fachexperten Dr. Jan Ullmann

Dr. Jan Ullmann. Jan ist E-Learning Trainer und Berater aus München und er befasst sich mit der Frage, wie man intelligente Technologien mit sinnhaften, menschenzentrierten Methoden verbinden kann. Nach Tätigkeiten bei Siemens, IBM und United Internet und Forschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat er 2015 sein Unternehmen 'Lernhandwerk' gegründet. Sein Ziel für die Zukunft der Arbeit ist die nahtlose Verschmelzung mit zeitgemäßer Bildung sowie die bewusste Potentialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen.